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GEORGISCHES KRIEGSABENTEUER UND RUSSISCHE VERMTTLUNG IN ZCHINWALI SIND GESCHEITERT

Interview mit dem Vorsitzenden der Gemeinsamen Kontrollkommission in der georgisch-ossetischen Konfliktzone in den Jahren 1994-1995, Dr. rer. pol. hab. N. P. Medwedew

– Nikolai Pawlowitsch, erzählen Sie bitte, unter welchen Umständen Sie mit den Problemen des georgisch-ossetischen Konflikts konfrontiert wurden?

Als Volksdeputierter Rußlands und, in den Jahren 1991-1993, in Funktion des Vorsitzenden des Ausschusses für nationalstaatliche Ordnung und zwischennationale Beziehungen des Obersten Sowjets der Russischen Föderation mußte ich des öfteren Parlamentsausschüsse zur Beilegung des georgisch-ossetischen Konflikts anführen, und nach der bewaffneten Invasion georgischer Militärs und Polizisten auf das Territorium der Südossetischen Autonomie im Jahre 1992 mußte ich mehrmals zu Friedensverhandlungen zwischen der georgischen und der ossetischen Seiten nach Zchinwali kommen.

Die Auswirkungen der bewaffneten Auseinandersetzungen dieser Jahre waren tragisch. Mir hat sich eingeprägt, wie ich zusammen mit dem Regierungschef Südossetiens mit einem Flugzeug des russischen Katastrophenschutzministeriums schwer Verwundete aus Zchinwali nach Wladikawkas bringen mußten. Man kann das tragische Bild nicht vergessen, als die ermordeten Schüler auf dem Hof ihrer Mittelschule in Zchinwali begraben werden mußten, da das Gelände des Friedhofs unter Beschuß der georgischen bewaffneten Gruppierungen stand. Damals verabschiedete der Oberste Sowjet der Russischen Föderation mehrmals entsprechende Erklärungen zu verschiedenen Aspekten des Konflikts. Damals meisterten wir die Situation mit friedlichen diplomatischen Mitteln. Zwischen den Abgeordneten der Parlamente von Rußland und Georgien gab es einen ständigen konstruktiven Dialog. Sehr aktiv wirkten die Diplomaten des russischen Außenamtes.

Das zweite Mal, in den Jahren 1994-1995 mußte ich mich mit den Problemen des georgisch-ossetischen Konflikts bereits unmittelbar beschäftigen, als ich zum Stellvetretenden Minister der Russischen Föderation für Zusammenarbeit mit den GUS-Mitgliedsstaaten ernannt wurde.

Nach dem Sotschi-Abkommen von 1992 wurde nämlich zwischen Georgien, Rußland und den Konfliktseiten eine Vereinbarung über die Einführung von russischen Friedenstruppen und den sogenannten gemischten Streitkräften getroffen, zu denen u. a. Georgier und Osseten gehörten, sowie die Gemeinsame Kontrollkommission zur gemeinsamen Beschlußfassung gegründet. Zunächst leitete die Kommission der Minister für Katastrophenschutz Rußlands, S. Schoigu. Als aber in Rußland ein Sonderministerium für die Angelegenheiten der GUS zur Lösung der Probleme des nahen Auslandes gegründet wurde, erhielt dieses Ministerium die Vollmachten für die Regelung des georgisch-abchasischen, georgisch-ossetischen und anderer Konflikte. So wurde ich von Amts wegen, als Stellvertretender Minister, zum Vorsitzenden der Sonderkommission zur Beilegung des georgisch-ossetischen Konflikts ernannt. Allerdings fiel die Hilfe bei dem Wiederaufbau der südossetischen Wirtschaft ebenfalls in meinen Zuständigkeitsbereich. Mehrmals mußte ich mit dem Außenministerium Georgiens schwierige Verhandlungen führen, den Präsidenten Georgiens Hrn. E. Schewardnadse treffen. Alle Probleme wurden damals auf friedlichem Wege gelöst.

– Wie würden Sie die Situation beurteilen, die heute in Südossetien entstanden ist?

Jeder Krieg endet mit dem Frieden. Im Falle von Südossetien kann man es noch genauer formulieren: Die Kriegshandlungen in der Konfliktzone setzen nur voraus, daß eine der Konfliktseiten nach dem militärischen Druck eine mehr oder weniger vorteilhafte Position in dem künftigen Verhandlungsprozeß zur Änderung des territorial-politichen Status Südossetiens einnehmen wird. Mit anderen Worten, es ist unmöglich, in der gegenwärtigen Situation Probleme im Rahmen des georgisch-ossetischen Konflikts auf dem militärischen Wege endgültig zu lösen. Überhaupt waren die Ziele der georgischen Seite, welche sie seiner Armee gesetzt hatte, so weit von der realen Situation entfernt, daß Fachleute darüber staunen müssen. Wie hätten die georgischen Militärs in der Region von Zchinwali die verfassungsmäßige Ordnung wiederherstellen können (wie es von der georgischen Staatsführung verkündet wurde), ohne ihre Handlungen mit den Friedenstruppen vereinbart zu haben?! Die Friedenstruppen sind ja gerade dazu da, um Kriegshandlungen auf der einen oder anderen Seite des Konflikts zu verhindern.

Was den militärischen Aspekt des Problems angeht, sei betont, daß die russischen Friedenssoldaten in Südossetien für die Abwehr des georgischen bewaffneten Angriffs wegen ihrer zahlenmäßigen Schwäche gar nicht vorbereitet waren. Dort ist nur ein Bataillon von Soldaten stationiert. Früher, vor 1992 war bekanntlich in diesem Bezirk noch ein Hubschrauberregiment der russischen Streitkräfte stationiert. Aber nach der Auseinandersetzung von 1992 bestand die georgische Führung auf dem Abzug unserer Hubschrauberpiloten aus der Konfliktzone. Diese Entscheidung scheint mir nicht ganz richtig zu sein, damals konnte Rußland aber ohne Zustimmung der georgischen Regierung nicht auf der Beibehaltung dieses Regiments bestehen.

Kurz und gut, heute ist zum Vorschein gekommen, daß unsere Friedenssoldaten Verstärkung brauchen. Natürlich wird sich die georgische Seite dieser Maßnahme widersetzen. Und doch wird man ohne sie halt nicht auskommen können.

Der zweite Aspekt ist der humanitäre. Ich glaube, die 10 Mrd. Rubel, welche die Regierung Rußlands für den Wiederaufbau von Zchinwali bereitgestellt hat, werden ausreichen. Daraus ergibt sich die ernste Frage nach dem künftigen Status Südossetiens, da es nicht erwünscht wäre, die Mittel aus dem russischen Staatsschatz zwecklos auf das Territorium eines anderen Staates fließen zu lassen.

Die russische Staatsspitze scheint eine klare Vorstellung von ihrer weiteren strategischen Schritten in dieser Region zu haben. Wahrscheinlich lassen sich heute die Emotionen noch nicht ausschließen, aber die Politiker, welche nicht nur für Rußland, sondern auch für die ganze Welt so bedeutsame politische Beschlüsse fassen, sollen der nüchternen Berechnung Vorrang einräumen.

– Die nächste Frage ist eine rein politische. Es geht um zwei miteinander verbundene Aspekte. Erstens: Ob Rußland in diesem Konflikt ein vollwertiger und fast einziger Vermittler bleibt? Zweitens: Ob Rußland es wagt, die Souveränität Südossetiens und Abchasiens anzuerkennen?

Da die Europäische Union und die NATO zur Einführung internationaler Friedenstruppen in die Konfliktzone alles aufbieten werden, kann passieren, daß Rußland dabei allein dastehen wird. Als ein solides Instrument der Einwirkung auf diesen Prozeß könnte sich die GUS erweisen. Was der Präsident Rußlands in diesem Falle unternimmt, wird die Zeit zeigen.

Bei dem zweiten Aspekt, der mit der Anerkennung der Unabhängigkeit Südossetiens zu tun hat, sind die politische Entschlossenheit und ein ganz neues System der internationalen Diplomatie erforderlich. Das Außenministerium Rußlands hielt nämlich im Laufe vieler Jahre die Probleme des nahen Auslandes für zweitrangig. Es hieß, die ehemaligen Unionsrepubliken hätten keine Wahl, sie würden ihre Beschlüsse immer mit dem Kreml vereinbaren. Diesen falschen Standpunkt sollen der Präsident und das auswärtige Amt Rußlands korrigieren. Man scheint während der Präsidentschaft W. W. Putins einen strategischen Fehler zugelassen zu haben, als er die Zweckbestimmung der GUS auf eine „zivilisierte Scheidung“ der ehemaligen SU-Republiken, der heutigen souveränen Staaten, beschränkte.

Es liegt auf der Hand, daß, wenn Rußland eine geopolitische Macht bleiben will, es die internationalen Beziehungen gründlich festigen soll, vor allem innerhalb der GUS und zu den Staaten, welche sich zu der Notwendigkeit der Festigung des wirtschaftlichen und geostrategischen Raums der GUS-Mitgliedsstaaten bekennen. Es wäre durchaus gerechtfertigt, wenn man ein Sonderministerium für die Angelegenheiten der GUS bzw. das Amt eines speziellen Präsidentenberaters zu diesen Problemen gründen würde, da es dem Präsidenten D. A. Medwedew bevorsteht, äußerst schwierige Aufgaben bei dem Aufbau neuer Beziehungen zu der Ukraine, zu Weißrußland und zu Georgien zu lösen. Dabei dürfen auch die sämtlichen „eingefrorenen“ Konflikte nicht vernachlässigt werden. Damit sind nicht nur Abchasien und Südossetien, sondern auch Transnistrien und Karabach gemeint. Äußerst schwierige Probleme im Zusammenhang mit der Schwarzmeerflotte wird man auch auf der Krim lösen müssen.

Die russische Staatsführung hat die Möglichkeiten des gewaltsamen Verhaltensmusters praktisch erschöpft. Nun soll man an eine gründliche diplomatische Arbeit sowie an die Berichtigung der außenpolitischen Doktrin in Bezug auf das nahe Ausland denken. Zweifellos ist das diplomatische Korps des russischen Außenministeriums, welches in den ehemaligen Unionsrepubliken wirkt, personell zu verstärken. Es muß ein spezieller strategischer Tätigkeitsbereich auf allen Ebenen der Diplomatie sein.

Kurz gesagt liegt heute die Situation um Südossetien ganz in den Händen der russischen Staatsführung. Ob es ihr gelingt, dieser Position richtige Schlußfolgerungen und praktische Schritte abzugewinnen, wird die Zeit zeigen.

– Präzisieren Sie jedoch bitte, welche Hauptziele die Russische Föderation verfolgt, indem sie an umfassenden Kriegshandlungen im georgischen Staatsgebiet teilnimmt?

Nun, das Hauptziel dabei ist, soviel ich verstehe, natürlich mit der Friedenserhaltung verbunden. Es liegt, wie man so sagt, an der Oberfläche des Problems. Es gibt sicher auch latente Ziele. Sie sind vor allem damit verbunden, das Vorrücken der NATO nach Georgien zu verhindern. Unsere Kriegshandlungen außerhalb der georgisch-ossetischen Konfliktzone waren, wie mir scheint, in erster Linie gerade darauf zurückzuführen. Rußland wollte Georgien dadurch zeigen, daß einem selbst die NATO-Streitkräfte die Probleme nicht ersparen können, die bei der Interaktion im Grenzgebiet sowie im Zusammenhang mit der guten Nachbarschaft entstehen.

Gerade das Problem des NATO-Beitritts Georgiens zwingt die russische Staatsführung, ihren Standpunkt in Bezug auf den Status Abchasiens und Südossetiens zu ändern. Vielleicht hat die aktuelle russische Staatsspitze insgeheim bereits beschlossen, daß sie den souveränen Status Abchasiens und Südossetiens anerkennen will. Wo aber sollen die Grenzen dieser neuen Staaten verlaufen? Es ist eine äußerst komplizierte Frage. Zwar geben einige Politiker darauf eine eindeutige und einfache Antwort, die Selbstbestimmung habe innerhalb der Grenzen der ehemaligen sowjetischen Autonomien zu erfolgen, zu welchen bekanntlich sowohl Abchasien als auch Südossetien zählten. Ich glaube, diese Antwort ist allzu formell und berücksichtigt nicht die wirkliche Situation der letzten 17-18 Jahre.

Auch bringen einige Experten das Verhalten Rußlands mit der Umsetzung der Ziele in Verbindung, welche W. W. Putin in seiner Münchener Rede festgesetzt hat. Diesem Verhalten liegt die folgende Logik zugrunde: Wenn die USA und die NATO im Irak oder auf dem Territorium des ehemaligen Jugoslawiens Gewalt anwenden dürfen, ohne die Meinung Rußlands zu respektieren, warum sollten wir auch nicht, wie man so sagt, „unter der Hand“ unsere Probleme mit den gleichen Mitteln lösen? Das dürfte heute in dem außenpolitischen Kurs des Kremls mitschwingen. Es scheint auch zulässig zu sein, und doch ist in der Politik am wichtigsten, bevor man eine Entscheidung trifft, die potentiellen Ressourcen zu ihrer weiteren Umsetzung abzuschätzen. Hat denn Rußland heute genug Ressourcen, um so zu handeln? Ich zweifle daran. Bis jetzt hat ja kein Staat weltweit unsere Kriegshandlungen unterstützt. Dieser Umstand alarmiert stark Experten und Fachleute.

– Welche Ziele verfolgt aber Georgien, indem es grobe militärische Gewalt in Südossetien anwendet? Womit rechnet es?

Die Entscheidungen der georgischen Führung scheinen mir in mancher Hinsicht spontan, auf Emotionen basierend. Allerdings muß man zugeben, daß sich die georgischen Streitkräfte schon seit einigen Jahren auf die Lösung ihrer Hauptaufgabe, d. h. die Rückgewinnung der territorialen Integrität Georgiens, vorbereitet haben. Dabei haben sie manche Erfolge zu verzeichnen. Es geht um den militärischen Ausbildungsstand sowie um die georgische Kriegstechnik. Bei weitem nicht zufällig gibt Georgien in den letzten Jahren 1 Mrd. Dollar jährlich für Kriegszwecke aus, wobei es doch sehr knappe Haushaltsmittel für andere Belange, insbesondere für die sozialen, bereitstellt. Nachdem er bei der neulichen Volksabstimmung sehr hohe Ergebnisse im Hinblick auf die Bereitschaft der georgischen Bevölkerung zum NATO-Beitritt erzielt hat (75% der Landesbewohner haben dafür gestimmt), scheint Präsident M. Saakaschwili eindeutig festgestellt zu haben, alles wäre dazu bereit, ein weiteres Mal die gewaltsame Lösung der wichtigsten politischen Problems zu versuchen, nämlich, die territoriale Integrität seines Staates zurückzugewinnen. Ich habe mit ihm persönlich das südossetische Problem in den Jahren 1994-1995 diskutiert, als er noch keinen so hohen Posten bekleidete. Was für Emotionen er an den Tag legte, wenn es um den Status Südossetiens ging, das hat sich mir für lange Zeit eingeprägt. Selbst in den Jahren, als die neue Verfassung Georgiens angenommen wurde, brachte er es nicht über sich, den Status Südossetiens mit der Wortverbindung „die Südossetische Autonomie“ zu bezeichnen. Er bestand konsequent darauf, daß die russische Delegation bei den Verhandlungen nur den Ausdruck „Region Zchinwali“ verwendete. Die georgische Führung wollte sich nicht dazu verstehen, daß sich Georgien verfassungsmäßig als ein föderativer Staat gestaltete. Ich weiß noch gut, wie mir als dem Stellvertretenden Minister Rußlands für die Angelegenheiten der GUS, der die Gemeinsame Kontrollkommission zur Beilegung des georgisch-ossetischen Konflikts leitete, die Erarbeitung der russischen Sicht auf die verfassungsmäßige Entwicklung Georgiens aufgetraten wurde. Unser Expertenteam erarbeitete einen Entwurf der Verfassung Georgiens, der die Entwicklung des georgischen Staates als einer Föderation voraussetzte. Ich überreichte diesen Entwurf persönlich dem Hrn. E. Schewardnadse, dem damaligen Präsidenten Georgiens. Aber seine Berater, zu denen auch Hr. M. Saakaschwili gehörte, lehnten diesen Entwurf ohne weiteres ab, und er wurde späterhin nirgendwo mehr ernst diskutiert.

Selbstverständlich wurden nach den Ereignissen von 1992 auch die Repräsentanten der ehemaligen sowjetischen Autonomien, der Abchasischen Autonomen Sowjetrepublik sowie des Südossetischen Autonomen Gebiets, zu Gegnern der georgischen Föderation.

Heute aber verlautbart bereits Hr. M. Saakaschwili öffentlich die georgische Meinung von der Möglichkeit einer breiten Autonomie für Südossetien. Dazu müßte man aber an der Verfassung Georgiens viele Änderungen vornehmen. Allerdings ist es bereits zu spät, das real zu besprechen, der Augenblick ist versäumt. Nach den Ereignissen im August 2008 würde Südossetien, soviel ich verstehe, solche Verhandlungen einfach nicht mehr eingehen.

– Wie sieht dann aus, Ihrer Meinung nach, die weitere Perspektive der Beilegung des südossetischen und des abchasischen Konflikts?

Ernsthaft sehe ich nun keine Perspektiven der Beilegung dieser Konflikte im Rahmen des alten Formats, das von dem Sotschi-Abkommen von 1992 festgelegt wurde.

Heute ist das wahrscheinlichste Szenario mit der Annäherung Abchasiens und Südossetiens zu ihrer Souveränität verbunden. Das russische Parlament kann, wie mir scheint, den Beschluß über die Anerkennung dieser Souveränität fassen. Das Oberhaupt des russischen Staates aber, meine ich, soll vorläufig keine Entscheidungen in dieser Frage treffen. So wird das Unabhängigkeitsproblem für einige Zeit hängen bleiben. Sicher werden die Europäische Union, die USA und die NATO starken Widerspruch erheben, es entsteht aber eine gute Gelegenheit, diese Frage zur Diskussion zu stellen, und zwar auf der Ebene sowohl der europäischen Institute als auch der UNO. Problematisch bleibt dabei nur, ob diese Fragestellung die politische Lage in der Konfliktzone entspannen hilft? In diesem Zusammenhang glaube ich, daß dann eher Rußland, die USA und die Europäische Union, als die georgische, abchasische oder ossetische Konfliktseite diese Fragen beantworten muß.

– Sagen Sie dann bitte, wie sich im Zusammenhang mit den Ereignissen in Georgien die Beziehungen der Russischen Föderation zu den NATO-Ländern und insbesondere zu den USA verändern werden?

Diese Beziehungen können sich wegen der Handlungen der russischen Militärs auf dem Territorium Georgiens nicht grundsätzlich verändern. Allerdings kann sich der Prozeß der Aufnahme der Ukraine und vielleicht auch Georgiens in die NATO beschleunigen. In diesem Falle könnten sich die bestehenden Formen des Dialogs zwischen Rußland und der NATO wesentlich verändern, und die Hauptrolle bei der Festlegung des Modells dieses Dialogs werden die im Werdegang begriffenen neuen Beziehungen zwischen Rußland und den USA spielen. Im Großen und Ganzen können sich diese Beziehungen entweder nach dem Modell einer „schwelenden Konfrontation“ oder aber als „offener Dialog“ zur Besprechung aller russisch-amerikanischen Probleme gestalten. Eine offene Konfrontation werden sich aber weder die USA noch Rußland leisten können.

Was aber die unterschiedlichen Einschätzungen Rußlands durch die internationalen Ratingagenturen im Hinblick auf die Entwicklung der Demokratie, der Rede- und Medienfreiheit betrifft, können die westlichen Länder ihre Position in dieser Hinsicht noch verschärfen. Im Endeffekt kann sich das auch auf die russische Wirtschaft verderblich auswirken. Es ist aber das schlimmste Szenario, günstigere Varianten sind auch möglich.

Dabei ist nicht auszuschließen, daß die NATO-Länder nach den letzten Ereignissen in Südossetien bei Georgien eine Ausnahme machen und es in die Allianz aufnehmen, ungeachtet der gegenwärtigen Konflikte auf dem georgischen Territorium. Ich gebe zu, daß, auch wenn Rußland die Unabhängigkeit Südossetiens und Abchasiens anerkennen würde, die NATO sowieso unter bestimmten Voraussetzungen Georgien in den Militärblock aufnehmen könnte. Es liegt vor allem daran, daß die NATO-Führung befürchtet, Rußland würde, nachdem es sich mit den heute vorhandenen Ressourcen die Muskeln vollgepumpt hat, die Prozedur zur Anerkennung der Souveränität der international nicht anerkannten Republiken im postsowjetischen Raum einleiten. Auf lange Sicht ist auch eine Revision des Status der Krim durch Rußland möglich. Ich glaube, die NATO-Leute gehen bei ihren Plänen gerade von einem solchen Verhalten der aktuellen russischen Staatsführung aus.

– Und wie werden sich, Ihrer Meinung nach, die Ereignisse in Südossetien und an der abchasischen Schwarzmeerküste auf die russisch-ukrainischen Beziehungen auswirken?

Bei der aktuellen politischen Führung der Ukraine werden die Ereignisse im Zusammenhang mit den russischen Kriegshandlungen auf dem Territorium Georgiens den gesamten Prozeß der Weiterentwicklung der russisch-ukrainischen Beziehungen sicher negativ beeinflussen. Denn in dem schwierigsten Moment des georgisch-ossetischen Konflikts standen der Präsident Georgiens M. Saakaschwili und der Präsident der Ukraine W. Juschtschenko Schulter an Schulter bei der Kundgebung in Tiflis. Diese Tatsache sagt mehr als alle Worte. Auch der Ton der Erklärungen der ukrainischen Staatsspitze zu den Handlungen der Schwarzmeerflotte während dieses Konflikts war sehr scharf und sogar herausfordernd. Wie weit aber dieser negative Prozeß in den russisch-ukrainischen Beziehungen fortschreiten wird, wird in mancher Hinsicht von der Konstellation der politischen Kräfte in der Ukraine selbst abhängen.

– Wie meinen Sie, können sich die Kriegshandlungen auf dem georgischen Territorium auf die Austragung der Olympischen Spiele 2014 in Sotschi negativ auswirken?

Es ist ein sehr ernstes Problem, mit dem sich die einschlägigen Behörden der Russischen Föderation gründlich auseinandersetzen müssen. Tatsächlich ist der Austragungsort der internationalen olympischen Sommerspiele 2014 nahe an den Gebieten gelegen, die zur georgisch-abchasischen Konfliktzone gehören. Es ist überhaupt ein Sonderfall, wenn der Austragungsort für den olympischen Wettbewerb nahe an der Zone eines ethnopolitischen Konflikts gewählt wird. Man kann nämlich vor 2014 kaum mit einer engültigen Beilegung dieses Konflikts rechnen.

Darüber hinaus ist bekannt geworden, daß im Vorfeld der Debatte in dem IOC zur Bestimmung der Hauptstadt der bevorstehenden Olympischen Spiele einige georgische Politiker ihre Absicht öffentlich verkündeten, die Olympischen Spiele in Sotschi zu boykottieren, falls die Frage nach der Beilegung des georgisch-abchasischen Konflikts nicht gelöst wird und die georgischen Flüchtlinge nicht nach Abchasien zurückkehren werden. Diese Erklärungen sind ernst zu nehmen, vor allem im Hinblick auf die Ereignisse in der georgisch-ossetischen Konfliktzone im August dieses Jahres. Die russische Staatsführung scheint mir diese Herausforderungen etwas zu unterschätzen.

– Wie meinen Sie, werden die Entscheidungen, die der Kreml zu den Kriegshandlungen auf dem Territorium Georgiens getroffen hat, die Konstellation der politischen Kräfte in Rußland beeinflussen?

Ich glaube, die Ereignisse im Zusammenhang mit dem georgisch-ossetischen Konflikt werden keinen wesentlichen negativen Einfluß auf die Konstellation der politischen Kräfte in Rußland ausüben. Die politische Kultur der russischen Staatsbürger ist so, daß ähnliche Ereignisse eher dazu beitragen, die Mehrheit der Wähler um die politische Machtelite zu konsolidieren. Gleichzeitig wird sich unter solchen Umständen auch der liberale Teil der Wähler im Kampf für die Menschenrrechte und -freiheiten sowie für die sonstigen liberalen Werte ebenfalls konsolidieren, was die Einstellung der Liberalen gegenüber dem aktuellen politischen Regime noch oppositioneller macht.

Das Verhalten der Kreml-Administration ist berechenbar und bleibt im Rahmen des politischen Modells, das man als „das putinsche Gewaltmodell“ bezeichnen kann. Auch das außenpolitische Image des neuen Präsidenten Rußlands D. A. Medwedew werden die georgisch-ossetischen Ereignisse in mancher Hinsicht negativ beeinflussen. Es fragt sich nur, ob er diese Situation ohne Verluste meistern wird meistern können?

Das Gespräch wurde von Dr. rer. pol, Fachfrau für Behandlung ethnischer Konflikte E. A. Kuschtawkina geführt

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